Blog

Was ist eigentlich eine Geschichte?

April 2021

Eine Geschichte erzählt mit Worten nach, was geschehen ist – so einfach und so banal lautet die wörtliche, weil etymologische Definition erzählten Geschehens. Aufgeschriebenen Geschichten schreibt man zumindest eine gewisse Bedeutung bei, etwas Besonderes im ansonsten noch allgemeineren Geschehen, etwas, das sie aus der Vielzahl der tägliche geschehenden Dinge heraushebt. So waren die frühesten europäischen Texte, die wir kennen, aufgeschriebene Geschichten, so genannte Abenteuer. In einer seiner Studien weist der italienische Philosoph Giorgio Agamben nach, das das Abenteuer und das Erlebte, mithin also das Leben, dasselbe sind.

Wenn wir also eine Geschichte erzählen, so bestimmen wir erst, was wir eigentlich erlebt haben, abseits vom unbewussten Strom der nicht weiter dokumentierten Ereignisse. Mit anderen Worten, wir bemächtigen uns der Geschichte, freilich, mit den dürren Worten, die wir dafür haben.

Denn oftmals stehen wir mit offenem Mund vor den Ereignissen des Lebens, wären bereit, ihnen übernatürliche, göttliche Eigenschaften zuzusprechen. Gleich darauf unternehmen wir es, gerade diese eben besonderen Dinge in unsere Welt und unsere Sprache zu holen. Denken und Reflexion ist immer an Worte gebunden, Erzählen und Schreiben auch. Was ist die Sprache? Ein Heer beweglicher Metaphern.

Daher auch der Imperativ: Erzähle dich selbst. Unser Ich? Alles Erzählung. Die Wahrheit? Geglaubte Erzählung. Wie man sieht: alles die reine unverfälschte Fiktion.

Viel Spaß beim Lesen von Ronjas Abenteuern in Coronazeiten.

Zu : „Lasst uns unsere Träume“

heissluftballon_nacht
Dezember 2020

Es gibt heutzutage viele Möglichkeiten, den Leuten ihre Träume auszutreiben. Vom viel zitierten und oft gehörten ‘Träume sind Schäume’ über das vor allem Kindern von Erwachsenen gerne zugezischte ‘träum’ nicht!’ bis zum resignativen ‘man wird ja wohl noch träumen dürfen’. Aber auch die Konsumindustrie mit ihrem Anspruch, für alle Träume die passenden Lösungen zu finden und ihren träumenden Kunden für teures Geld zu verkaufen. Den Traumurlaub, das Traumhaus, aber auch den ‘Körper, von dem sie schon immer geträumt haben’ verspricht sie neben vielen anderen Angeboten, immer voraussetzend, dass es sich bei Träumen um materielle Wünsche handeln wird, die es so schnell wie möglich zu erfüllen gilt.

Wenn solch ein Wunsch dann erfüllt ist, stellt man schnell fast, dass die erwartete oder herbeigesehnte Erfüllung, das dauerhafte Glück durchaus ausgeblieben ist und wie ein Süchtiger, der nach jeder Ernüchterung nach neuem Rausch sich seht, müssen neue Wünsche her, da die alten schließlich schon Realität geworden sind.

Dass auch Träume eine erlebbare Realität sein können, stellt man oft des nachts fest, wenn unser Gehirn uns im Schlaf detailreiche und gefühlsechte Szenen vorspielt, von denen wir im Moment, in dem wir sie erleben, nicht sagen können, dass es sich um Träume handelt. Erst recht nicht, dass es sich ‘nur’ um Träume handelt. Erst wenn wir wach werden und die Szenen verblassen, merken wir, dass wir geträumt haben und rätseln, welche Bedeutung wohl dahinterstecken mag.

So behandeln wir unsere Träume in vielfältiger Weise stiefmütterlich und geringschätzig, zugunsten einer mit den übrigen Sinnen wahrgenommenen Welt, die sich aber doch jedem in anderer Gestalt präsentiert. Jeder Einzelne nimmt andere Facetten wahr, abhängig von Alter und Geschlecht, von geographischen und historischen Positionen, vom Wissensstand und von der Interessenlage her.

Von Träumen hingegen nimmt man an, dass alle Menschen von den nämlichen Dingen träumen, vielleicht ist hier eine Sprache verborgen, mit der sich einmal alle Menschen miteinander verständigen können.

Ob das für immer ein Traum bleiben wird?

Träume haben die Menschen aber schon immer angetrieben. Der Traum vom Fliegen, schließlich der Traum, auf dem Mond zu landen. Kollektive Träume, die zu Höchstleistungen anspornen, aber auch die Einzelnen brauchen Träume wie ein Elixier, um wichtige Ziele zu erreichen. Gemeinsame Träume haben also auch schon etwas Verbindendes, wenn man die Traumsprache noch nicht spricht und vielleicht findet die Menschheit noch rechtzeitig einen von dieser Art, um die Kurve in eine gemeinsame Zukunft zu kriegen. Unwahrscheinlich, dass man ihn sich für Geld wird kaufen können.